1, 2 oder 3 Vornamen? - Familientradition vs. Identität

Der Zweitname, der Ende des 20. Jahrhunderts noch als veraltet galt, ist heute wieder voll im Trend. Mehr noch, so manche Eltern wählen für ihr Kind nicht nur einen zweiten, sondern entscheiden sich sogar für mehrere Namen. Mit Zweitnamen sind aber keine Namen mit Bindestrich gemeint, wie Lena-Marie. Denn die zählen laut Amtsgericht als einer.

1, 2 oder 3 Vornamen? - Familientradition vs. Identität

Der historische Umgang mit Zweitnamen

Vor rund hundert Jahren trugen fast 70 % der Deutschen aus Tradition mindestens einen Zweitnamen, wenn nicht sogar mehr Vornamen. Viele hielten sich außerdem immer noch an den Jahrhunderte alten Brauch, den erstgeborenen Jungen mit dem Rufnamen nach seinem Vater zu benennen. So wurde auch Konrad Hermann Joseph Adenauer nach seinem Vater benannt und auch er taufte wiederum seinen ersten Sohn auf den Namen Konrad. In der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts starb diese Gepflogenheit dann langsam aus und es wurden immer weniger Zweitnamen aus der Familie vergeben. Nach dem Nationalsozialismus wollte sich die neue Generation von der alten abgrenzen und sah sich stattdessen nach neuen und vor allem kreativeren Namen um, die für sich stehen und sich keines Rückgriffs auf die Vergangenheit bedienen sollten. Berühmte Musiker wie Prince oder Madonna reduzierten ihren Namen schließlich sogar auf nur einen Künstlernamen, um aus der Masse hervorzustechen. Auf diese Weise kam der Zweitname eine Zeit lang aus der Mode. Doch in den letzten Jahren belegen Statistiken eine Rückkehr des Zweitnamens – vor allem im Süden Deutschlands.

Nach welchen Kriterien werden (mehrere) Zweitnamen heute ausgewählt?

Viele Eltern lassen die alte Tradition wieder aufleben und benennen ihre Kinder in Erinnerung an ihre eigenen Eltern oder ihre Großeltern. Auch der gute Freund, der Patenonkel werden soll, kann der Ursprung für die Namenswahl sein. Manche suchen nach Inspiration bei Künstlern, Philosophen oder anderen berühmten Personen der Geschichte, um den Rufnamen mit einem bedeutenden Zweitnamen zu stärken und so einzigartig zu machen. Wieder andere lassen sich rein von der Bedeutung mehrerer Namen im Zusammenspiel leiten und bei vielen Eltern ist der Zweitname gar nicht geplant, sondern das Ergebnis des Ringens um den schönsten Namen. Denn auf der Suche nach dem richtigen Namen wird häufig eine Liste angelegt und mit der Zeit auf diejenigen Namen reduziert, die einem am besten gefallen. Aber was, wenn sich die Liste einfach nicht auf einen einzigen Namen reduzieren lässt? Manche Namen klingen schließlich viel besser in Kombination mit einem weiteren. Und genauso oft kommt es vor, dass einem gewisse Namen besonders ans Herz wachsen, während der Partner einen anderen, ebenso schönen Favoriten hat. Dann kann und möchte man sich einfach nicht für einen einzigen entscheiden. Und warum auch? Zweitnamen sind keine Seltenheit in Deutschland. Ganz im Gegenteil, sie werden nicht nur wieder modern, sie werden auch auf ihre Vorzüge erforscht. Viele Bewerbungsberater empfehlen sogar, Zweitnamen bei der Bewerbung möglichst mit einem Initial abzukürzen, sodass der Name an Sozialprestige gewinnt. Eine Studie der Universität Southampton fand nämlich heraus, dass Initialen zwischen Vor- und Nachname einen entscheidenden Vorteil liefern: auf die Mehrzahl der Testpersonen wirkten Menschen mit Initialen im Namen intelligenter und von höherem gesellschaftlichen Status.

Familiennamen sind mehr als Tradition – sie sind ein Stück Heimat

Mehrere Vornamen zu vergeben bietet die tolle Möglichkeit, den Namen geliebter Großeltern, Freunde oder des zukünftigen Patenonkels weiterzuführen. Das kann als schöne Geste für diejenigen Menschen in unserem Leben gedacht sein, die uns besonders nahe stehen. Die Wiederbelebung dieser Tradition hat aber auch etwas mit dem Lebensstil der heutigen Generation zu tun: Die meisten Kinder sind mittlerweile alles andere als Nesthocker. Nach der Schule verstreuen sie sich in alle Winde, suchen neue Städte für ihre Ausbildung auf, reisen furchtlos über Landesgrenzen hinweg und landen auf fernen Kontinenten. Und wer heute viel reist, der lässt sich auch eher in einer fremden Stadt nieder. Wer dann selbst erlebt, wie sich die Familie mit der Zeit in ganz Deutschland oder gar der ganzen Welt verstreut, der ist geneigt, seinem eigenen Kind ein Stück Heimat in Form eines Familienzweitnamens mit auf den Weg zu geben.

Beliebte Zweitnamen in Deutschland

Die heutige rechtliche Situation in Deutschland

Gerade beim ersten Kind kommen so viele Namen in Frage, dass die Entscheidung unmöglich scheint und man am liebsten die halbe Liste als Zweitnamen eintragen möchte. Doch für gewöhnlich erlauben Standesämter maximal fünf Vornamen. Für eine genaue Anzahl gibt es beim Vornamensrecht in Deutschland zwar keine bindende Gesetzeslage, aber laut einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes darf das Standesamt die Anzahl der Vornamen begrenzen, um das Wohl des Kindes zu schützen. Eltern können ihrem Kind weiterhin ihren eigenen Vornamen geben. In vielen Ländern wie den USA ist das bis heute noch eine weit verbreitete Tradition. Doch die Verwendung von Aufzählungen wie Robert der II oder Robert Junior aus dem Englischen sind in Deutschland mittlerweile verboten.

Familienverbundenheit vs. Identität

Auch wenn es nicht gesetzlich festgelegt ist, so ist es doch üblich, dass der erste eingetragene Vorname auch der Rufname des Kindes wird. So wird Patrick Alexander für gewöhnlich mit Patrick und nicht mit vollem Namen gerufen. Dennoch hat Patrick die Wahl, sich später aus eigenem Antrieb lieber Alexander nennen zu lassen, wenn er findet, dass dieser Name besser zu ihm passt. Wer zusätzlich zu Zweitnamen aus der Familie auch seinen eigenen Vornamen an sein Kind weitergeben möchte, darf das selbstverständlich tun. Doch die Entscheidung sollte äußerst vorsichtig abgewogen werden. Die Doppelbenennung kann nicht nur zu Verwechslungen führen, sondern es kann auch passieren, dass sie dem Kind später nicht gefällt. Denn so liebend Familien auch sind, ein Kind, das mit Rufnamen und weiteren Vornamen ausschließlich nach der Familie benannt wurde, kann sich in seiner Identitätsfindung sehr eingeengt fühlen. Deshalb empfiehlt es sich bei mehreren Namen auch immer wenigstens einen neuen Namen einzutragen, der dem Kind genügend Raum für seine Entwicklung lässt. Denn das Wohl des Kindes sollte immer Vorrang haben. Wird bei mehreren Namen aus der Familie außerdem nur die eine Oma und nicht die andere erwähnt, kann das schon mal zu Familienstreitigkeiten führen, die auf lange Sicht auch das Kind mitbekommt. So schön es also ist, allen geliebten Familienmitgliedern oder Kindheitshelden eine Freude zu machen, die Namensvergabe von Rufnamen und vielen Vornamen aus der Familie sollte eine weise Entscheidung sein. Denn am Ende sind es nicht die Eltern, sondern das Kind, das all diese Namen in voller Länge auf Ausweisen und in wichtige Formulare eintragen muss.

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